„Digitaler Nachlass“: Vererbung und (Vorsorge-) Vollmacht
Es war lange streitig, ob Email-Konten, Konten in sozialen Netzwerken und vergleichbarer „digitaler Nachlass“ im Falle des Todes des Kontoinhabers auf den/die Erbin/Erben übergeht. Diese Streitfrage hat der BGH im Jahre 2018 grundlegend entschieden, und zwar in der Weise, dass auch der „digitale Nachlass“ vererblich ist (BGH NJW 2018, 3178).
Daraus folgt zum einen: Wer verhindern will, dass zu seinem digitalen Nachlass gehörende Konten von den Erben eingesehen werden, muss hierfür Vorsorge treffen. Soweit dies vom Anbieter ermöglicht wird (wie es wohl bei facebook und google der Fall ist), kann man diesem gegenüber verfügen, dass das Nutzerkonto im Falle des Todes gelöscht wird. Alternativ kommt in Betracht, eine Vertrauensperson, die nicht Erbin oder Erbe wird, zu beauftragen und zu bevollmächtigen, nach dem Tod das Konto zu löschen. Letzteres bietet sich z.B. an, wenn ein Konto nicht insgesamt, sondern nur in Teilen gelöscht werden soll, bevor es für den/die Erben/Erbin zugänglich ist.
Zum anderen ist zu beachten: Es kann für den/die Erben/Erbin umständlich sein, die Rechte am digitalen Nachlass geltend zu machen und z.B. Konten einzusehen – z.B., weil hierfür zuerst ein Erbschein zu beantragen ist. Um das zu vermeiden, ist mehr erforderlich, als sich auf die gesetzliche Erbfolge oder z.B. auf die Einsetzung eines/einer Alleinerben/Alleinerbin zu verlassen.
- Zum einen bietet es sich an, zusätzlich z.B. zu einem Testament auch eine Vollmacht zur Einsichtnahme in und gegebenenfalls zur Verwaltung digitaler Konten zu erteilen, wobei diese Vollmacht dann ausdrücklich über den eigenen Tod hinaus gelten sollte. Dies kann auch im Rahmen einer Vorsorgevollmacht geschehen – was den Vorteil hat, dass dann die Vollmacht auch für den Fall der Bewusstlosigkeit bzw. der Entscheidungsunfähigkeit aus einem anderen (insbesondere krankheitsbedingten) Grund erteilt werden kann. Sinnvoller Weise sollte diese Vollmacht nicht auf Accounts beschränkt werden, die in einem engeren Wortverständnis zum „digitalen Nachlass“ gehören, sondern sich auf alle Daten erstrecken, die sich auf Speichermedien befinden, die im Eigentum des Vollmachtgebers/Erblassers stehen. Erfasst sind dann auch digitale Werte, deren Vererbbarkeit von vorneherein nicht fraglich ist (wie z.B. ein Guthaben in Kryptowerten, heruntergeladene Software oder Musik).
- Zum anderen ist es sinnvoll, zusätzlich dafür zu sorgen, dass der/die Bevollmächtigte schnell an alle Zugangsdaten und Passwörter etc. kommt, die erforderlich sind, um von der Vollmacht Gebrauch machen zu können. Hierfür bietet sich eine „Notfallmappe“ an, in der alle Accounts und Passwörter aufgelistet sind. Es kann dann dort auch noch einmal differenziert für jeden einzelnen Account bestimmt werden, was damit geschehen soll (z.B. insgesamt löschen, in einen „Gedenkzustand“ versetzen; den Erben den Zugang ermöglichen, gegebenenfalls nach Löschen bestimmter Daten). Eine solche Mappe digital zu verwahren, ist natürlich ebenso riskant wie eine offene Verwahrung in Papierform. Stattdessen könnte die Notfallmappe z.B. in einem Banksafe oder auch zuhause in einem Tresor hinterlegt werden, wobei dann aber eben sichergestellt werden sollte, dass der/die Bevollmächtigte im „Ernstfall“ schnell an die Notfallmappe herankommen kann.
Christoph Stroyer
Notar
Als Notar beschäftigt sich
Christoph Stroyer am liebsten mit
Immobilientransaktionen und
Gesellschaftsstrukturierungen.