BGH: Wirksamkeit von „Weitergabeklauseln“ in Übertragungsverträgen
Menschen, die Vermögenswerte – in der Regel Immobilien – schon zu Lebzeiten in die nächste Generation übertragen, haben häufig ein Interesse daran sicherzustellen, dass der Übertragungsgegenstand (das Grundstück) im Familienbesitz (meistens zudem „in gerader Linie“) bleibt. Verbreitet sind daher Klauseln, die dem Schenker das Recht einräumen, die Rückübertragung des Grundstücks zu verlangen, sollte der Beschenkte es – ohne Zustimmung des Schenkers - an einen Dritten veräußern oder unentgeltlich übertragen (und die Durchsetzung dieses Rechts durch eine Vormerkung im Grundbuch abzusichern). Einen Schritt weiter gehen „Weitergabeklauseln“. Durch sie soll sichergestellt werden, dass der Übertragungsgegenstand nicht nur zu Lebzeiten des Beschenkten, sondern darüber hinaus im „Familienbesitz“ bleibt. Der Beschenkte wird verpflichtet, den Übertragungsgegenstand zu seinen Lebzeiten, spätestens mit seinem Tod, (z.B.) an seine eigenen Kinder zu übertragen. Problematisch sind solche Klauseln, weil sie in Widerspruch zu Grundsätzen der Testierfreiheit geraten können: Die Freiheit, in der einen oder anderen Weise letztwillig zu verfügen (oder nicht zu verfügen) kann nicht wirksam vertraglich eingeschränkt werden. Dass Weitergabeklauseln grundsätzlich zulässig sind, und wie sie ausgestaltet sein müssen, hat der BGH in einem Urteil vom 28.11.2023 (Az.: X ZR 11/21) geklärt.
Der Sachverhalt
Der Entscheidung des BGH liegt folgender, hier etwas verkürzt wiedergegebener Sachverhalt zugrunde: Ein Erblasser hat zwei Kinder aus einer ersten, geschiedenen Ehe. Aus seiner zweiten, bis zu seinem Tod bestehenden Ehe hat er ein weiteres Kind. Mit seiner zweiten Ehefrau hat er Gütertrennung vereinbart. Von seinem Vater hatte der Erblasser zuvor durch einen notariellen Übertragungsvertrag ein Grundstück schenkweise zugewandt erhalten. Durch zwei Nachträge zum Übertragungsvertrag verpflichtete sich der Erblasser, das Grundstück spätestens bei seinem Tod auf alle drei Kinder zu Miteigentum zu je 1/3 zu übertragen. Zu seinen Lebzeiten übertrug der Erblasser das Grundstück nicht. Als neue Eigentümerin eingetragen wurde die Erbengemeinschaft, bestehend aus der Witwe und den drei Kindern des Erblassers. Die beiden Kinder verlangen nunmehr die Übereignung des Grundstücks an sich und ihren Halbbruder zu Miteigentum zu je 1/3.
Die rechtliche Problematik
Die rechtliche Grundfrage, die sich in dem Fall stellt, ist die, ob eine Schenkung unter der Auflage der Weitergabe des Schenkungsgegenstandes spätestens mit dem Tod des Beschenkten rechtlich zulässig ist. Ist eine solche Auflage wirksam, dann geht die daraus resultierende Pflicht zur Eigentumsübertragung auf den Begünstigten – sofern sie bis zum Tod des Beschenkten nicht erfüllt wurde – auf die Erben über und muss dann von diesen erfüllt werden. Die Beantwortung dieser Grundfrage war bis zu der jetzigen Entscheidung des BGH streitig. Zweifel an der Wirksamkeit derartiger „Weitergabeverpflichtungen“ resultierten aus § 2302 BGB. Danach ist ein Vertrag, durch den sich jemand verpflichtet, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder nicht zu errichten, aufzuheben oder nicht aufzuheben, nichtig. Unmittelbar anwendbar ist die Bestimmung, die somit der Sicherung der Testierfreiheit dient, allerdings nicht, weil es hier ja nicht um eine Verfügung von Todes wegen, sondern um eine Verfügung unter Lebenden geht. Allerdings wird der Anwendungsbereich des § 2302 BGB durch § 2301 BGB erweitert. Danach finden die Vorschriften über Verfügungen von Todes wegen (also auch § 2302 BGB) auch auf „Schenkungsversprechen von Todes wegen“, also auf Schenkungsversprechen, die unter der Bedingung erteilt werden, dass der Beschenkte den Schenker überlebt, Anwendung. Das bedeutet zunächst einmal: Würde die Grundstücksüberlassung mit der Auflage verbunden, einem Dritten gegenüber ein Schenkungsverprechen unter der Bedingung abzugeben, dass der Dritte den Schenker überlebt, wäre das unwirksam, weil die Auflage dann dem Beschenkten die Pflicht auferlegen würde, ein Rechtsgeschäft vorzunehmen, das gemäß § 2301 Abs. 1 BGB als Verfügung von Todes wegen zu behandeln ist.
Die Entscheidung des BGH
Nun aber macht der BGH eine sehr „feinsinnige“ Unterscheidung: Unwirksam, sagt er, sei nach §§ 2301 und 2302 BGB nur die Verpflichtung, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten, nicht zu errichten, aufzuheben oder nicht aufzuheben, nicht aber die Vornahme solcher Rechtshandlungen.
Entscheidend ist also – bezogen auf den zu entscheidenden Fall – ob der Erblasser und sein Vater durch den Überlassungsvertrag und die Nachträge hierzu bereits einen (bedingten) Anspruch der Drittbegünstigten (der Kinder des Erblassers) auf Übereignung des Grundstücks begründet haben. Das wäre wirksam. Wurde nur eine Verpflichtung des Erblassers begründet, ein Schenkungsversprechen gegenüber den Begünstigten abzugeben, wäre dies unwirksam gewesen. Eine wirklich sehr subtile und vielleicht auch (wertungsmäßig) nicht unmittelbar einleuchtende Unterscheidung. Aber aufgrund der Entscheidung des BGH ist sie nunmehr maßgeblich.
Bezogen auf den zu entscheidenden Fall kommt der BGH zu dem Ergebnis, dass die in den beiden Nachträgen zum Übertragungsvertrag enthaltene Vereinbarung den Erblasser nicht zur Abgabe eines Schenkungsversprechens, sondern zur Übereignung des Grundstücks an die Begünstigten verpflichtet habe. Der BGH legt die Vereinbarung so aus, dass den Begünstigten daraus unmittelbar der Übereignungsanspruch zustehen sollte. Dem stand auch nicht entgegen, dass die durch die Weitergabeklausel Begünstigten ihrerseits eine Pflicht zur Weitergabe des Grundstücks an ihre leiblichen Abkömmlinge im Falle ihres Versterbens übernehmen und auf ihren Pflichtteil bzw. ihre Erbrechte am Nachlass des Erblassers verzichten mussten. Ebenso wenig stand entgegen, dass die vom Erblasser übernommene Verpflichtung unter der Bedingung stand, dass der Begünstigte den Erblasser überlebt.
Aus einem anderen Grunde entschied der BGH aber nicht selbst, sondern verwies die Sache an das Berufungsgericht (OLG München) zurück: Zwar hatte der Erblasser mit seiner zweiten Ehefrau Gütertrennung vereinbart. Ob dieser Ehevertrag wirksam war, war aber in den Vorinstanzen nicht geklärt worden. Sollte er unwirksam gewesen sein, hätten die Ehepartner im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt. Im Güterstand der Zugewinngemeinschaft bedürfen aber Verfügungen eines der Ehepartner über sein ganzes Vermögen (bzw. über „im Wesentlichen“ sein ganzes Vermögen) der Zustimmung durch den anderen Ehepartner (§ 1365 BGB). Die Übernahme der „Weitergabeverpflichtung“ im Nachtrag zum Überlassungsvertrag könnte eine Verfügung über das Vermögen als Ganzes sein. Auch hierzu waren aber in den Vorinstanzen keine Feststellungen getroffen worden.
Praxishinweis
Der BGH hat mit dieser Entscheidung klargestellt: „Weitergabeklauseln“ in Überlassungsverträgen sind zulässig. Sie müssen aber unter Berücksichtigung der BGH – Entscheidung sorgfältig ausgestaltet sein. Die Verpflichtung zur Weitergabe muss bereits im Überlassungsvertrag selbst so ausgestaltet sein, dass dem Begünstigten daraus ein (bedingter) Übertragungsanspruch entsteht.
Unser Notariatsteam steht Ihnen gern für Fragen zur Gestaltung von Übertragungsverträgen zur Verfügung. Schreiben Sie uns eine E-Mail oder nutzen Sie gleich unseren Online-Fragebogen.