scroll down

Rechtsanwaltskanzlei BÖRGERS, Fachanwälte für Baurecht, Architektenrecht, Immobilienrecht, Vergaberecht, Grundstücksrecht und Mietrecht - Berlin, Hamburg, Stuttgart Rechtsanwaltskanzlei BÖRGERS, Fachanwälte für Baurecht, Architektenrecht, Immobilienrecht, Vergaberecht, Grundstücksrecht und Mietrecht - Berlin, Hamburg, Stuttgart

BGH zur Änderung des Kostenverteilungsschlüssels durch Beschluss der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer
Immobilienrecht

BGH zur Änderung des Kostenverteilungsschlüssels durch Beschluss der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer

Der Sachverhalt

Zu einer Wohnungseigentumsanlage gehört eine Tiefgarage mit zwanzig Kfz – Doppelparkeranlagen („Doppelparker“). Nach der Teilungserklärung sind grundsätzlich alle Erhaltungskosten nach den jeweiligen Miteigentumsanteilen von sämtlichen Wohnungs- bzw. Teileigentümern zu tragen. Ein Teileigentümer, dem 4 Doppelparker in der Anlage gehören, verlangt von der WEG die Durchführung notwendiger Reparaturarbeiten an den Doppelparkern. Die Eigentümerversammlung fasst daraufhin den Beschluss, den Verteilungsschlüssel in der Weise zu ändern, dass die Kosten für etwaige Sanierungs-, Reparatur-, Unterhaltungs- und Modernisierungsarbeiten an den Doppelparkern allein von deren Teileigentümer gemeinschaftlich zu tragen sind.
Der Eigentümer, dem die Doppelparker gehören, erhebt gegen diesen Beschluss Anfechtungsklage. 

Rechtliche Ausgangslage; das Problem des Falls

Grundlage des angefochtenen Beschlusses ist § 16 Abs. 2 WEG. Diese Vorschrift lautet in der seit dem 01.12.2020 geltenden Gesetzesfassung: „Die Kosten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, insbesondere der Verwaltung und des gemeinschaftlichen Gebrauchs des gemeinschaftlchen Eigentums, hat jeder Wohnungseigentümer nach dem Verhältnis seines Anteils … zu tragen. Die Wohnungseigentümer können für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten eine von Satz 1 oder von einer Vereinbarung abweichende Verteilung beschließen“. 
Für die neue Rechtslage bisher ungeklärt war aber, wie weit diese Beschlusskompetenz der Gemeinschaft der Eigentümer geht. Insbesondere: Ist es zulässig, durch den Beschluss bestimmte Wohnungs-/Teileigentümer erstmalig zur Kostentragung heranzuziehen, und ist  es umgekehrt zulässig, Wohnungs-/Teileigentümer, die nach der satzungsmäßigen Kostenverteilungsregelung Kosten zu tragen hätten, hiervon vollständig freizustellen?

Für die bis zum 30.11.2022 geltende Rechtslage hatte der BGH entschieden, dass eine Wohnungseigentümergemeinschaft durch Beschluss (also ohne Änderung der Satzung) lediglich befugt sei, im Rahmen einer dem Grunde nach bestehenden Kostentragungsverpflichtung einen anderen Verteilungsmaßstab zu beschließen. Eine Veränderung des Kreises der Kostenschuldner war demnach nach altem Recht von der Beschlusskompetenz nicht umfasst. 

Die Frage, ob dieser Grundsatz auch für das neue Recht fortgelte, war bisher umstritten. 

Die Entscheidung des BGH

Nunmehr hat der BGH (Urt. vom 22.03.2024 – V ZR 81/23) entschieden, dass das nicht der Fall sei. Nach neuem Recht sei die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in einem umfassenderen Sinne befugt, eine von dem gesetzlichen Verteilungsschlüssel oder von einer Vereinbarung abweichende Verteilung zu beschließen. Das gelte auch dann, wenn dadurch der Kreis der Kostenschuldner verändert werde, indem Wohnungseigentümer von der Kostentragung gänzlich befreit oder umgekehrt erstmals mit Kosten belastet würden. Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut der jetzigen Gesetzesfassung und entspreche auch dem erklärten Willen des Gesetzgebers, die Spielräume der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hinsichtlich der Kostenverteilung zu erweitern. Eine Grenze der Beschlusskompetenz sieht der BGH offenkundig nur bei einer „generellen Änderung des Kostenverteilungsschlüssels“ erreicht, also wenn ein vereinbarter Verteilungsschlüssel nicht lediglich in bestimmter Hinsicht korrigiert, sondern ein völlig neuer Verteilungsschlüssel beschlossen werden soll. (Auch diese Abgrenzung könnte allerdings im Einzelfall sicherlich schwierig sein.)

Der Maßstab der „ordnungsgemäßen Verwaltung“

Dies bedeutet nun aber nicht, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer beliebige Kostenverteilungsschlüssel beschließen könnte – so dass z.B. in einer zerstrittenen WEG die Mehrheit die Minderheit willkürlich mit Kosten belasten könnte. Wie alle anderen Beschlüsse auch gilt für den Beschluss zur Änderung des Kostenverteilungsschlüssels der Maßstab der „ordnungsgemäßen Verwaltung“. Entspricht ein solcher Beschluss nicht den Anforderungen der ordnungsgemäßen Verwaltung, ist er allerdings nicht nichtig, sondern lediglich anfechtbar. Der Maßstab der „ordnungsgemäßen Verwaltung“ lässt der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer einen weiten Ermessensspielraum. Es soll weniger sein als der Maßstab des „sachlichen Grundes“. Die Wohnungseigentümer dürften vielmehr jeden Maßstab wählen, der den Interessen der Gemeinschaft und der einzelnen Wohnungseigentümer angemessen ist und insbesondere nicht zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung Einzelner führe. An die Auswahl dürften keine zu strengen Anforderungen gestellt werden. 

Schlussfolgerungen für den zu entscheidenden Fall

Bezogen auf den konkret zu entscheidenden Fall bedeutet dies aus Sicht des BGH: Wenn es um Teile des Gemeinschaftseigentums geht, die nur von bestimmten Eigentümern genutzt werden können, entspricht es den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung, die Kosten dieser Teile des Gemeinschaftseigentums (wie hier die „Doppelparker“) nur von denjenigen Eigentümern tragen zu lassen, die diese nutzen können (die Eigentümer der Doppelparker).

Der BGH entscheidet somit, dass es – wie vorliegend – auch ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen kann, nach der bisherigen Kostenverteilungsregelung (mit-)belastete Eigentümer für die Zukunft vollständig zu befreien – mit der Folge, dass die übrigen Miteigentümer entsprechend stärker belastet werden. Offen gelassen wird die Frage, ob auch der umgekehrte Vorgang ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen kann: Wenn also bisher nicht belastete Eigentümer erstmalig mit Kosten belastet werden sollen. Logisch wäre es aber wohl, auch diese Frage zu bejahen.

Zulässigkeit von „Einzelfallbeschlüssen“

In einer weiteren Entscheidung vom selben Tage hat der BGH (Urteil vom 22.03.2024 – V ZR 87/23) für die seit dem 01.12.2020 geltende Rechtslage – ebenfalls abweichend von der Rechtsprechung für die bis dahin geltende Rechtslage – entschieden, dass eine abweichende Kostenverteilung auch für den Einzelfall beschlossen werden kann; sie muss also nicht generalisiert werden, so dass sie auch für künftige, vergleichbare Fälle in gleicher Weise gilt. Der hier entschiedene Fall betraf den Umlageschlüssel für die Kosten der Sanierung von Dachflächenfenstern, die sich ausschließlich im Bereich der Wohnung eines Mitglieds der Wohnungseigentümergemeinschaft befanden. Maßgebliches Kriterium bleibt auch insoweit das der „ordnungsgemäßen Verwaltung“. Und auch hier gilt: Wenn eine Erhaltungsmaßnahme am Gemeinschaftseigentum ausschließlich im Bereich eines Wohnungseigentümers betrifft, entspricht es ordnungsgemäßer Verwaltung zu beschließen, dass nur dieser Eigentümer die Erhaltungskosten zu tragen hat.

Schlussfolgerungen für die Gemeinschaftsordnung

Für die Gestaltung der Gemeinschaftsordnung im Rahmen der Aufteilung des Eigentums an einem Grundstück in Wohnungseigentum bedeutet das, dass überlegt werden sollte, ob diese weitgehende Beschlusskompetenz gewünscht ist. Abweichende Vereinbarungen in der Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung (im Sinne eines stärkeren „Minderheitenschutzes“) sind möglich. Denkbar (aber vielleicht auch zu unflexibel) wäre es, Veränderungen des in der Gemeinschaftsordnung festgelegten Kostenverteilungsschlüssels durch Beschluss ganz auszuschließen. Daneben kommen aber auch verschiedene andere, weniger „drakonische“ Abweichungen von der geltenden Rechtslage in Betracht, z.B. das Erfordernis qualifizierter Mehrheiten für solche Beschlüsse, der Ausschluss von Beschlüssen, die nicht generell, sondern nur für einen konkreten Einzelfall gelten sollen, oder ein abweichender Maßstab für die Beurteilung der Ordnungsgemäßheit entsprechender Beschlüsse (z.B. „sachlicher Grund“ statt „ordnungsgemäße Verwaltung“).

Christoph Stroyer, Notar von Börgers Rechtsanwälte Berlin|Hamburg|Stuttgart

Christoph Stroyer
Notar

Als Notar beschäftigt sich 
Christoph Stroyer am liebsten mit 
Immobilien­transaktionen und 
Gesellschafts­strukturierungen.

Christoph Stroyer folgen:
Logo LinkedIn - hier klicken, um das Linked-In-Profil von Christop Stroyer in einem neuen Fenster zu öffnen
Notartermin jetzt vereinbaren
Blogthema Börgers Rechtsanwaltskanzlei Berlin
Immobilienrecht
BGH: Aufklärungspflichten des Immobilienverkäufers bei Einrichtung eines Datenraums

Bei größeren Immobilientransaktionen ist es üblich einen virtuellen Datenraum zu eröffnen, in den alle für das Kaufobjekt und den beabsichtigten Kaufvertrag relevanten Dokumente eingestellt werden, und die der Käufer dann im Rahmen seiner „due diligence“ – Prüfung auswertet.

weiter lesen

Blogthema Börgers Rechtsanwaltskanzlei Berlin
Immobilienrecht
Der Architektenvertrag als „Fernabsatzvertrag“

Eine kürzlich online veröffentlichte Entscheidung des LG Frankfurt/Main (Urt. vom 26.06.2023 – 2-26 O 144/22) beleuchtet beispielhaft Probleme, die sich ergeben können, wenn ein Architekt einen Architektenvertrag mit einem „Verbraucher“ – Auftraggeber ausschließlich telefonisch, per Email oder in vergleichbarer Weise „digital“ schließt:

weiter lesen

Blogthema Börgers Rechtsanwaltskanzlei Berlin
Immobilienrecht
Unwirksame Reservierungsvereinbarungen; „Lohnunwürdigkeit“ wegen „verzerrter Darstellung der Rechtslage“

Eine Entscheidung des Landgerichts Frankfurt am Main (Urt. vom 30.10.2023 – 2-10 O 359/22) demonstriert zum einen die praktischen Auswirkungen einer Grundsatzentscheidung des BGH aus dem letzten Jahr (Urt. vom 20.04.2023 – I ZR 113/22) zur Unwirksamkeit von Reservierungsvereinbarungen, und verdeutlicht zum anderen das Risiko des Verlustes des Provisionsanspruches wegen unrichtiger bzw. „verzerrender“ Darlegungen der Rechtslage durch den Makler gegenüber seinen oder gegenüber einem seiner Auftraggeber.

weiter lesen

Blogthema Börgers Rechtsanwaltskanzlei Berlin
Immobilienrecht
BGH: Arglisthaftung und Umfang der Aufklärungspflichten des Verkäufers

Der 5. Zivilsenat des BGH hat mit einer Entscheidung vom 27.10.2023 (V ZR 43/22) seine Rechtsprechung zum Umfang der Aufklärungspflichten und zur Arglisthaftung des Verkäufers präzisiert:

weiter lesen

Blogthema Börgers Rechtsanwaltskanzlei Berlin
Nachfolge
„Digitaler Nachlass“: Vererbung und (Vorsorge-) Vollmacht

Es war lange streitig, ob Email-Konten, Konten in sozialen Netzwerken und vergleichbarer „digitaler Nachlass“ im Falle des Todes des Kontoinhabers auf den/die Erbin/Erben übergeht. Diese Streitfrage hat der BGH im Jahre 2018 grundlegend entschieden, und zwar in der Weise, dass auch der „digitale Nachlass“ vererblich ist (BGH NJW 2018, 3178). 

weiter lesen

Blogthema Börgers Rechtsanwaltskanzlei Berlin
Nachfolge
OLG München: Überlassung eines Grundstücks zu Miteigentum an Minderjährigen – Ergänzungspfleger erforderlich

Lebzeitige Übertragungsverträge – meist „in vorweggenommener Erbfolge“ – sind aus unterschiedlichen Motivlagen sehr häufig. Eine gerichtliche Entscheidung und zwei Gutachten des Deutschen Notarinstituts beleuchten einige typische Fragestellungen dieser Verträge.

weiter lesen

Blogthema Börgers Rechtsanwaltskanzlei Berlin
Immobilienrecht
OLG Hamm: Keine Nachweispflichten des Maklers aufgrund von § 656c BGB

Das OLG Hamm hat sich in einem Beschluss vom 22.02.2023 (18 U 6/23) mit der Frage beschäftigt, ob ein Grundstückskäufer vom Makler einen Nachweis verlangen kann, dass der Verkäufer (entsprechend § 656c BGB) die andere Hälfte der Maklerprovision gezahlt hat.

weiter lesen

Blogthema Börgers Rechtsanwaltskanzlei Berlin
Immobilienrecht
BGH zur Änderung des Kostenverteilungsschlüssels durch Beschluss der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer

Der Bundesgerichtshof hat entschieden: Nach neuem WEG-Recht ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in einem umfassenderen Sinne befugt, eine von dem gesetzlichen Verteilungsschlüssel oder von einer Vereinbarung abweichende Verteilung zu beschließen. Das gilt auch dann, wenn dadurch der Kreis der Kostenschuldner verändert werde, indem Wohnungseigentümer von der Kostentragung gänzlich befreit oder umgekehrt erstmals mit Kosten belastet werden.

weiter lesen

Blogthema Börgers Rechtsanwaltskanzlei Berlin
Immobilienrecht
Entwurf des „Gebäudetyp E – Gesetzes“

Gebäudetyp E

Die Einführung des „Gebäudetyps E“ dient neben der Beschleunigung und Kostensenkung auch dem Ziel der Nachhaltigkeit, indem der Ressourcenverbrauch reduziert, das Bauen im Bestand erleichtert und innovatives Bauen befördert werden soll. Das „E“ steht hier sowohl für „einfach“ als auch für „experimentell“.

weiter lesen

Blogthema Börgers Rechtsanwaltskanzlei Berlin
Nachfolge
Transmortale Vollmacht des Alleinerben (OLG Nürnberg)

Seit langem ist umstritten, durch wen, wem gegenüber, und wie lange von einer „transmortalen“ Vollmacht nach dem Tod des Vollmachtgebers noch Gebrauch gemacht werden kann, insbesondere, wenn die Bevollmächtigte zugleich Mit- oder gar Alleinerbin wird. Der BGH hat diese Frage bisher nicht entschieden.

weiter lesen

Blogthema Börgers Rechtsanwaltskanzlei Berlin
Immobilienrecht
Die neue niedersächsische „Umbauordnung“: Eine Pionierleistung zur Vereinfachung von Umbaumaßnahmen

Es ist ein Dilemma: Einerseits leben wir in einer Zeit, in der Wohnungsnot zu einem immer drängenderen sozialen Problem wird, andererseits rücken die ökologischen Kosten des Bauens immer mehr in den Blick. Wir müssen, wenn die Klimaschutzziele eingehalten werden sollen, den CO2-Ausstoß auch durch eine reduzierte Bautätigkeit begrenzen. Umbau, Ausbau, Aufstockung und Umnutzung vorhandener Gebäude könnten ein Weg aus dem Dilemma sein. Doch diese Maßnahmen sind oft kompliziert, zeitaufwendig, teuer und mit hohen Haftungsrisiken verbunden.

weiter lesen

Blogthema Börgers Rechtsanwaltskanzlei Berlin
Nachfolge
BGH: Wirksamkeit von „Weitergabeklauseln“ in Übertragungsverträgen

Menschen, die Vermögenswerte wie Immobilien schon zu Lebzeiten in die nächste Generation übertragen, haben häufig ein Interesse daran sicherzustellen, dass der Übertragungsgegenstand im Familienbesitz bleibt. Verbreitet sind daher Klauseln, die dem Schenkenden das Recht einräumen, die Rückübertragung des Grundstücks zu verlangen, sollte der Beschenkte es – ohne Zustimmung des Schenkenden – an einen Dritten veräußern oder unentgeltlich übertragen. Einen Schritt weiter gehen „Weitergabeklauseln“.

weiter lesen

Das Notariat der Kanzlei BÖRGERS ist seit mehr als 20 Jahren umfassend tätig und steht Ihnen gern mit fachkundigem Rat zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns gern telefonisch oder per E-Mail.