Der Architektenvertrag als „Fernabsatzvertrag“
Eine kürzlich online veröffentlichte Entscheidung des LG Frankfurt/Main (Urt. vom 26.06.2023 – 2-26 O 144/22) beleuchtet beispielhaft Probleme, die sich ergeben können, wenn ein Architekt einen Architektenvertrag mit einem „Verbraucher“ – Auftraggeber ausschließlich telefonisch, per Email oder in vergleichbarer Weise „digital“ schließt:
Der Sachverhalt
Ein Rechtsanwalt beauftragt ein Architekturbüro mit Architektenleistungen für den Umbau eines Einfamilienhauses zu einem Drei-Familienhaus. Der Rechtsanwalt handelt dabei nicht geschäftlich bzw. im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit. Der Vertragsschluss erfolgt ausschließlich per Email. Eine Kontaktaufnahme zum Architektenbüro per Email oder telefonisch ist auf dessen Homepage so vorgesehen. Eine Widerrufsbelehrung durch die Architekten erfolgt nicht. Die Architekten erbringen die Leistungen der Leistungsphasen 1 – 4 und rechnen diese mit mehreren Abschlagsrechnungen ab. Die letzte dieser Abschlagsrechnungen zahlt der Rechtsanwalt nicht mehr, sondern erklärt stattdessen den Widerruf des Vertrages. Nunmehr verlangt der Rechtsanwalt Rückzahlung der geleisteten Abschlagszahlungen. Im Prozess stellt sich heraus, dass der Rechtsanwalt in gleicher Weise kurz vorher bereits mit einem anderen Architekten verfahren war.
Die Entscheidung
Da der Rechtsanwalt bei Abschluss des Vertrages weder gewerblich noch in Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit gehandelt hat, ist er hinsichtlich dieses Vertragsverhältnis Verbraucher. Der Architekt handelt in Ausübung seines Berufes und ist damit Unternehmer im Sinne des Gesetzes. Es handelt sich folglich um einen Verbrauchervertrag – und zwar unabhängig von der konkreten Schutzbedürftigkeit des „Verbrauchers“ (hier: des Rechtsanwaltes) im Einzelfall.
Der Vertrag ist hier per E-Mail zustande gekommen, also über ein „Fernkommunikationsmittel“ im Sinne von § 312c BGB, so dass es sich im Sinne dieser Bestimmung um einen „Fernabsatzvertrag“ handelt, „es sei denn“ (wie es in § 312 c Abs. 1 BGB heißt) „dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt“. Die sprachlich vielleicht etwas überraschende Formulierung (mit doppelter Verneinung) hat eine gesetzestechnische Bedeutung: Sie macht klar, dass im Streitfall nicht der Verbraucher darlegen und beweisen muss, dass der Vertragsschluss „im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems“ erfolgt ist, sondern umgekehrt der Unternehmer, dass dies nicht der Fall war. Das ist dem Architekten in dem hier entschiedenen Fall nicht gelungen. Er habe, stellt das Gericht fest, „nur pauschal behauptet, dass es sich bei dem Vertragsschluss … via E-Mail um eine Ausnahme gehandelt habe und die Verträge mit den Kunden normalerweise nicht mit Fernkommunikationsmitteln geschlossen würden“. Dies reicht aus Sicht des Gerichts nicht aus – zumal auf der Homepage der Architekten der Vertragsschluss per Email ausdrücklich vorgesehen war. Das Gericht schließt aus der Gestaltung der Homepage, „das das Geschäftsmodell“ der Architekten „geradezu auf den Abschluss der Verträge per Fernkommunikationsmittel ausgerichtet ist und ein persönliches Treffen die Ausnahme darstellt.“
Im Ergebnis bedeutet das, dass dem Auftraggeber (Rechtsanwalt) ein Widerrufsrecht zustand (§ 312g Abs. 1 i.V.m. § 355 BGB). Hinsichtlich der Frist, innerhalb derer der Widerruf erklärt werden kann, ist zu unterscheiden: Wird der Verbraucher ordnungsgemäß belehrt, beträgt die Frist 14 Tage ab Zugang der Widerrufsbelehrung. Wird er (wie im vorliegenden Fall) nicht oder nicht richtig belehrt, beträgt die Widerrufsfrist 1 Jahr und 14 Tage. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob der Verbraucher – was im vorliegenden Fall ja keine fernliegende Annahme ist (und zwar aus einem doppelten Grund; wegen des Berufs des Auftraggebers und wegen der Tatsache, dass er bereits kurze Zeit zuvor einen Architektenvertrag mit derselben Begründung widerrufen hatte) das Widerrufsrecht auch ohne Belehrung durch den Auftragnehmer kennt – so dass „an sich“ überhaupt kein Informationsbedürfnis besteht – oder nicht.
Für den vom LG Frankfurt zu entscheidenden Fall bedeutet dies: Der Widerruf ist (mangels Widerrufsbelehrung durch den Architekten) fristgemäß erklärt und deshalb wirksam. Auch mit dem Argument, der Rechtsanwalt habe das Widerrufsrecht treuwidrig ausgeübt, drang der Architekt nicht durch. Der Umstand, dass der Rechtsanwalt kurz vorher bereits in ähnlicher Weise verfahren war, führt nicht zur Treuwidrigkeit. Rechtsfolge des Widerrufs ist, dass die beiderseitig empfangenen Leistungen zurück zu gewähren sind. Der Architekt hat daher keinen Honoraranspruch und muss die schon erhaltenen Abschlagszahlungen zurückzahlen. Der Rechtsanwalt als Auftraggeber muss die erhaltenen Planungsunterlagen zurückgeben, aber er muss keinen Wertersatz o.ä. leisten.
Schlussfolgerungen für die Praxis
Das Verbraucherschutzrecht ist in gewisser Weise sehr formal. Auf das konkrete Informationsbedürfnis im Einzelfall kommt es nicht mehr an. Deshalb ist es aus Auftragnehmersicht wichtig zu erkennen, dass es sich um einen Verbrauchervertrag – und um welche Art von Verbrauchervertrag es sich handelt (Verbraucherbauvertrag, „einfacher“ Verbrauchervertrag, „Außer-Haus-Vertrag“; „Fernabsatzvertrag“). Letzteres ist wichtig, um entscheiden zu können, ob ein Widerrufsrecht des Verbrauchers besteht, und wie die Widerrufsbelehrung des Verbrauchers aussehen muss. Für die Widerrufsbelehrungen gibt es gesetzliche Muster (Anlagen zu Art. 246a EGBGB), die verwendet werden sollten. Zu diesem Thema folgt demnächst hier ein Übersichtsbeitrag.
Wie ausgeführt, muss in diesen Fällen der Auftraggeber nur die Planungsunterlagen zurückgeben, aber keinen Wertersatz leisten. Das bedeutet aber nicht, dass er diese Unterlagen verwerten darf – sofern dies nicht bereits geschehen ist. Das bedeutet: Wenn die Pläne zum Zeitpunkt des Widerrufs noch nicht realisiert wurden, darf der Auftraggeber dies auch jetzt nicht tun. Ist z.B. das Gebäude nach den zurückzugebenden Plänen bereits errichtet, muss das Gebäude (selbstverständlich) nicht wieder abgerissen, und es muss auch kein Wertersatz geleistet werden.
Christoph Stroyer
Notar
Als Notar beschäftigt sich
Christoph Stroyer am liebsten mit
Immobilientransaktionen und
Gesellschaftsstrukturierungen.