Unwirksame Reservierungsvereinbarungen; „Lohnunwürdigkeit“ wegen „verzerrter Darstellung der Rechtslage“
Eine Entscheidung des Landgerichts Frankfurt am Main (Urt. vom 30.10.2023 – 2-10 O 359/22) demonstriert zum einen die praktischen Auswirkungen einer Grundsatzentscheidung des BGH aus dem letzten Jahr (Urt. vom 20.04.2023 – I ZR 113/22) zur Unwirksamkeit von Reservierungsvereinbarungen, und verdeutlicht zum anderen das Risiko des Verlustes des Provisionsanspruches wegen unrichtiger bzw. „verzerrender“ Darlegungen der Rechtslage durch den Makler gegenüber seinen oder gegenüber einem seiner Auftraggeber.
Der Sachverhalt
Ein kaufwilliger Verbraucher wendet sich an einen Makler. Dieser weist dem Kunden eine geeignete Immobilie nach. Bei einer Objektbesichtigung bekundet der potentielle Käufer seine Bereitschaft zum Erwerb der Immobilie zu einem Kaufpreis von 400.000,00 Euro. Auch der Verkäufer ist zum Verkauf zu diesem Kaufpreis bereit. Daraufhin schließen Makler und potentieller Käufer eine Provisionsvereinbarung. In dieser vom Makler vorbereiteten Vereinbarung heißt es unter anderem „Der Kaufpreis der Liegenschaft ist mit 400.000 Euro vereinbart worden.“ Der Maklervertrag enthält neben der Courtagevereinbarung auch eine „Reservierungsvereinbarung“. Danach hat der potentielle Käufer sofort eine „Reservierungsgebühr“ („für diese Reservierungsvereinbarung“) in Höhe von 10.000 Euro zu zahlen. Diese soll „bei erfolgreichem Abschluss des Kaufvertrags mit der Provision verrechnet“ werden. Für den Fall, dass der Kaufvertrag durch „Verschulden“ des potentiellen Käufers nicht zustande kommt, soll die Reservierungsgebühr zu 50 % beim Makler bleiben. Im Übrigen soll die Reservierungsvereinbarung „hinfällig“ werden, wenn der Kaufvertrag nicht bis zu einem bestimmten Zeitpunkt geschlossen ist. Tatsächlich kommt der Kaufvertrag vor Ablauf der Frist zustande. Der Käufer erklärt den „Widerruf“ des Maklervertrages und verlangt Rückzahlung der Reservierungsgebühr.
Der rechtliche Rahmen
Der BGH hat bereits im letzten Jahr (mit dem bereits erwähnten Urteil vom 20.04.2023) entschieden, dass Reservierungsvereinbarungen zwischen Maklern und Maklerkunden der AGB – Kontrolle unterliegen, wenn sie vom Makler zum Zwecke der mehrfachen Verwendung vorformuliert und nicht zwischen den Parteien „individuell ausgehandelt“ werden. Diese Voraussetzungen sind bei derartigen Vereinbarungen praktisch immer erfüllt. Entscheidend ist, dass diese Reservierungsvereinbarungen nicht als selbständige eigene Vereinbarungen angesehen werden (dann würde es sich um Vereinbarungen zu den „primären Leistungspflichten“ handeln, die nicht der AGB – Kontrolle unterliegen), sondern als eine Nebenvereinbarung zum Maklervertrag. In dem genannten Urteil hat der BGH auch bereits entschieden, dass das auch gilt, wenn Maklervertrag und Reservierungsvereinbarung zeitlich getrennt voneinander zustande kommen. Durch die Grundsatzentscheidung des BGH ist ebenfalls bereits geklärt, dass Reservierungsvereinbarungen der AGB – Kontrolle nicht standhalten. Die „Reservierungsvereinbarung“ widerspricht dem „gesetzlichen Leitbild“ des Maklerrechts (Vergütung nur im Erfolgsfall, Fälligkeit erst mit Abschluss des vermittelten Rechtsgeschäfts), und sie ist für den Vertragspartner (den Kunden) ausschließlich nachteilig.
Bedeutsam für die Entscheidung des Falles ist außerdem § 654 BGB, auch wenn dies aufgrund einer bloßen Lektüre der Vorschrift vielleicht überraschend ist. Die Vorschrift lautet: „Der Anspruch auf Maklerlohn und den Ersatz von Aufwendungen ist ausgeschlossen, wenn der Makler dem Inhalt des Vertrages zuwider auch für den anderen Teil tätig ist.“ Denn davon ist hier ja überhaupt nicht die Rede. Die Vorschrift des § 654 BGB wird von der Rechtsprechung aber erweiternd ausgelegt, so dass der Makler den Courtageanspruch auch in weiteren Fällen verliert, wobei immer drei Voraussetzungen zusammen erfüllt sein müssen:
- Der Makler muss unter Verletzung wesentlicher Vertragspflichten dem Interesse des Kunden in schwerwiegender Weise zuwidergehandelt haben;
- der Makler muss dabei vorsätzlich oder in „grober Leichtfertigkeit“ gehandelt haben;
- beides muss so schwer wiegen, dass der Makler den Lohn nach „allgemeinem Rechts- und Billigkeitsempfinden“ nicht verdient.
Die Entscheidung
Für den vom LG Frankfurt a.M. zu entscheidenden Fall war damit zunächst einmal jedenfalls klar, dass die Reservierungsvereinbarung keinen Bestand haben konnte. Sie war vom Makler vorformuliert worden. Aus der Beweisaufnahme hatte sich außerdem ergeben, dass der Makler die entsprechende Klausel auch schon häufig verwendet hatte. Im Prozess konnte er nicht darlegen und beweisen, dass die Klausel individualvertraglich „ausgehandelt“ worden war. Dass sich in der Vereinbarung selbst der (seinerseits ebenfalls „klauselhafte“ und auch häufig verwendete) Satz fand, die Parteien bestätigten, dass es sich um eine Individualvereinbarung handele, hilft demgegenüber nicht. Somit unterlag die Klausel, die Rechtsprechung des BGH zugrunde gelegt, der AGB – Kontrolle und hielt dieser Kontrolle nicht stand.
Zu § 654 BGB kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen dieser Norm (in ihrer „erweiterten“ Auslegung) erfüllt seien. Es beruft sich dabei auf vorangegangene Entscheidungen (auch des BGH), die „Lohnunwürdigkeit“ des Maklers im Sinne von § 654 BGB angenommen, wenn der Makler dem Kunden gegenüber die Rechtslage „verzerrt“ darstellt und diesem gegenüber den falschen Eindruck einer bereits eingetretenen rechtlichen Bindung (insbesondere zum Ankauf des Grundstücks zu einem bestimmten Preis – und damit auch zur Zahlung der Maklerprovision in bestimmter Höhe) hervorruft. Das sah das LG Frankfurt a.M. hier durch den Satz in der Reservierungsvereinbarung als gegeben an, es sei ein Kaufpreis in Höhe von 400.000 € „vereinbart“ worden. Das war hier ja nicht einmal ganz falsch – nur war die „Vereinbarung“ des Kaufpreises (mangels Beurkundung des Kaufvertrages) eben noch nicht wirksam.
Im Ergebnis erhält der Makler somit (trotz Erfolgs seiner Vermittlungsbemühungen) kein Maklerhonorar und muss die Reservierungsgebühr zurückzahlen.
Für die Praxis kann man sagen (auch wenn das „theoretisch“ etwas zu pauschal ist: Reservierungsvereinbarungen funktionieren nicht. Was die Frage des § 654 BGB angeht, ist die Entscheidung sicherlich recht weitgehend und nicht über jeden Zweifel erhaben. Sie sollte aber dafür sensibilisieren, wie wichtig es aus Sicht des Maklers ist, bei seinen Auftraggebern keine falschen Vorstellungen zu erzeugen – insbesondere nicht im Hinblick darauf, dass bereits eine (wirksame) vertragliche Bindung betreffend den Verkauf des Grundstücks zustande gekommen sei. Sofern eine (wie gesagt: in aller Regel unwirksame) Reservierungsvereinbarung getroffen wird, sollte jedenfalls nicht der Eindruck erweckt werden, diese Vereinbarung verschaffe den potentiellen Käufer tatsächlich eine reale „Anwartschaft“ auf das Grundstück. Auch dies könnte als eine „verzerrte Darstellung der Rechtslage“ angesehen werden – mit der Folge der „Lohnunwürdigkeit“ im Sinne von § 654 BGB.
Christoph Stroyer
Notar
Als Notar beschäftigt sich
Christoph Stroyer am liebsten mit
Immobilientransaktionen und
Gesellschaftsstrukturierungen.